Juli 15, 2006

vergeben

 
Wie nur ein einziger Buchstabe, eine kleine luftige Bewegung der Zungenspitze ein Deutungsuniversum verschiebt. Und über welche inneren und äußeren Umwege, über welche Ozeane, Wüsten, Wälder, Massive und Weiten wir geführt werden, um dann angekommen und gezielt zu sagen: vergebens, vergebens. Früh werden die Straßen gepflastert mit Geben und Gaben. Aber ja, die Gabe bezeichnet den Akt des Schenkens, wie also: Dieses hast du umsonst, ohne einen Preis zu zahlen, sieh, ich vergebe dir dies. Und am Abend erlaube ich dir, von dannen zu ziehen mit meiner Hingabe. Ich werde dir nichts berechnen.
Aber wird nicht doch ein Vertrag geschlossen? Liegt nicht in der vergebenden Geste eine hochmütige Bewegung, die den Beschenkten die Lider schließen lässt? Und erwächst vielleicht aus dieser Rührung der Impuls, sich für die grobe Erwartungslosigkeit zu rächen? Umsonst, vergeblich, schenkweise. Das lässt einer nur schwer auf sich sitzen. Das wird unerträglich. Das kann er nicht haben. Das kriegst du wieder. Dann schreiten sie zur nie erahnten Rückgabe ihrer Präsente. Und wiegen schwer in den Händen das jeweilige Gut. Jedoch, das bleibt vergebens. Gleiche Münzen gibt es nicht mehr, die Zinsen sind gestiegen, womöglich die Währung ersetzt oder sie heißt jetzt anders, und es geht nur noch Mund zu Mund statt Hand in Hand, die Zeiten sind längst vorbei. Tauschhandel - Ware gegen Ware, ich geb dir einen Wechsel, geh doch zum Pfandleiher. Vielleicht vergibt er dir unsere Schuld, denn geschenkt ist geschenkt und wiederholen ist gestohlen.