Dezember 07, 2006

alter nachtwunsch


an leib und seele zittere ich, klappere, schlottere, von einem sturm hin und her gewürgt, gewrungen. unser reden, spekulieren ist unterstellen; wird zum einander beob- und endlich verachten. ich will nicht gezwungen sein in deinen kampf. und dabei heldisch mich fühlen, dass ich bestehe und nicht erneut anfalle – dich.

was ängstigt mich denn? meine oder deine ohnmacht – dein drohen, ja du drohst, du bedrohst, leise, mit worten, mit augenblicken, nicht mich, unsere freiheit aber.

etwas steht auf dem spiel. und was steht zur debatte? wir drehen uns, wir wenden uns ab. wir hatten lieder. jetzt drückst du auf wiederholung. und ich so klein. beide herzen mit weh, kein rezept, keine pille, therapieresistent.

dann gebete in luftarmen stößen. zu einem, der es richten soll. ich bitte, ich flehe, komm her und hilf! meine ruhe ist lüge, mein amen placebo. die wege trennen sich, und doch sagt die physik, sie werden einander irgendwo irgendwann wieder treffen. krümmt nicht die zeit den raum? niemals bis dato zog ich natur als rechtfertigung meiner argumente heran. kennte ich doch die musik - ich könnte warten.

angst – dies wird nicht heil werden. beschädigt. zernichtet. nun, die hoffnung. auch sie hat mal feierabend, und dann und wann einen festtag. da gibt man sich frei.

den weg laufen – säumten kirschbäume seinen rand und brombeeren – dann wüßt ich die richtung. himmel – ich seh ihn. und weiden, birken, kastanien. sanft beugen sie ihre zweige einander zu und hüten der nachtigall blaues rätsel.


sternenzelt du – deck mich zu.



November 05, 2006

spiegelung

Zurückgekehrt nach Tagen auf einer Insel glüht noch immer das südliche Licht in mir. Wahrhaftiger Luxus: Stunde um Stunde frei von Sorge, Not oder Schmerz gewesen zu sein.

Wieder und wieder Trost der steten Brandung, jeder Augenblick traf eine zarte Bewegung der Welt, ob Wellen, Sand oder Blüte, Katz oder Ziege mit Glöckchen, Bö oder salzigen Nebel.

Und hier? Und jetzt? Feuchtglänzende Schieferdächer, gelb gesäumt von Novemberblättern, darüber Himmelgrau. Mein Auge baut das Bild eines diesseitigen Ufers, gegenüber, die andere Straßenseite wird mir zur umwachsenen See, schuppige Dachtafeln flimmern wie windbewegtes Wasser und beinah segelt ein Boot vorüber.


Bald fällt der Schnee und ich werde eislaufen so nah vor dem Fenster.




Juli 15, 2006

vergeben

 
Wie nur ein einziger Buchstabe, eine kleine luftige Bewegung der Zungenspitze ein Deutungsuniversum verschiebt. Und über welche inneren und äußeren Umwege, über welche Ozeane, Wüsten, Wälder, Massive und Weiten wir geführt werden, um dann angekommen und gezielt zu sagen: vergebens, vergebens. Früh werden die Straßen gepflastert mit Geben und Gaben. Aber ja, die Gabe bezeichnet den Akt des Schenkens, wie also: Dieses hast du umsonst, ohne einen Preis zu zahlen, sieh, ich vergebe dir dies. Und am Abend erlaube ich dir, von dannen zu ziehen mit meiner Hingabe. Ich werde dir nichts berechnen.
Aber wird nicht doch ein Vertrag geschlossen? Liegt nicht in der vergebenden Geste eine hochmütige Bewegung, die den Beschenkten die Lider schließen lässt? Und erwächst vielleicht aus dieser Rührung der Impuls, sich für die grobe Erwartungslosigkeit zu rächen? Umsonst, vergeblich, schenkweise. Das lässt einer nur schwer auf sich sitzen. Das wird unerträglich. Das kann er nicht haben. Das kriegst du wieder. Dann schreiten sie zur nie erahnten Rückgabe ihrer Präsente. Und wiegen schwer in den Händen das jeweilige Gut. Jedoch, das bleibt vergebens. Gleiche Münzen gibt es nicht mehr, die Zinsen sind gestiegen, womöglich die Währung ersetzt oder sie heißt jetzt anders, und es geht nur noch Mund zu Mund statt Hand in Hand, die Zeiten sind längst vorbei. Tauschhandel - Ware gegen Ware, ich geb dir einen Wechsel, geh doch zum Pfandleiher. Vielleicht vergibt er dir unsere Schuld, denn geschenkt ist geschenkt und wiederholen ist gestohlen.


März 11, 2006

wer, wenn ich riefe

 
Immer deutlicher wird mir die Last, nicht reden zu können. Oder die Gewissheit, dass alles Reden nichts nützte, ja, jeder doch nur dies verstünde, was ohnehin in den goldenen Büchern geschrieben steht. Da sagen die Stimmen der Nächsten: Geh! Wach auf und sieh auf dich! Lass ab von deinem Hochmut, mit dem du uns seit jeher in die Gesichter spuckst! Kein Ort, wohin ich mich wenden wollte. Kein Priester, kein Freund, kein Medicus, kein Bruder, keine Mutter oder Maria. Wie damals in den fernen Tagen verdunkle ich den Schmerz just durch ein grelles Lachen oder maskiertes Mittun. Und ich sitze mitten unter ihnen. Staune, maule und kaue marionettenhaft - ahnungslos fragend, wer aus welcher Richtung wohl ihre Glieder bewegt. Und warum. Faszinierendes Rädern der Gleichgültigen, sie tragen schwer an ihren trivialen Gewichten und treten dennoch ans Licht.